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2000/2001-Teil 2: vom Tisch
gefallen
9. Borussia Dortmund Am. - RW Essen 0:0
Tabellenstand
RWE ist mit 15 Punkten und 10:5 Toren Fünfter. 10. Spieltag: RWE - Wilhelmshaven, 29.09.2000
2
Er hätte das nicht tun sollen. Jeder wusste vor dem Spiel, dass
die 2 wichtig sein würde. Mit einem Sieg wäre RWE für
einen Tag auf Platz 2, bei einer Niederlage würden 2 Serien gleichzeitig
reißen - vier Heimsiege hintereinander und sechs Spiele lang ungeschlagen.
Trotzdem hat er es getan.
Kurz nach Spielbeginn kam Ordner Wichtig mit einer Polizeikompanie anmaschiert.
Die pösen Pupen aus Wilhelmshaven hatten sich tatsächlich
erlaubt, auf der fast menschenleeren Gästetribüne Fackelzauber
zu veranstalten. Sowas macht man bekanntlich nicht in Fußballstadien,
verstößt nämlich gegen die Stadionordnung. Essener würden
sowas nie machen.
Von den zahlreichen 20 Wilhelmshavener Fans wurden 2 herausgepickt,
ausgerechnet 2. Die beiden waren über 250 Kilometer gereist und
konnten sich nun das Spiel von draußen anhören. Hätten
sie gewusst, welchen Fehler Ordner Wichtig mit dieser Aktion machte,
sie hätten tanzend das Stadion verlassen. So nahm die 2 weitgehend
unbemerkt ihren Lauf.
In der ersten Halbzeit ging's noch. 2 Mal retteten Wilhelmshavener auf
der Linie. Kann passieren. In der 28. Minute warfen sich die 2 Essener
Stürmer in eine scharfe Flanke und zappelten anschließend
im Tornetz, natürlich mit ohne Ball. Na ja.
Aber dann kam Halbzeit 2. Wichtigs Werk und Berges Beitrag verbündeten
sich in der 64. Minute. Trainer Berge wechselte 2 Spieler gleichzeitig
aus, doch Erwin Koen war nicht dabei. Normalerweise wird Koen immer
ausgewechselt. Er wird eigentlich nur aufgestellt, damit man gefahrlos
jemanden auswechseln kann. Auch diesmal hatte er wieder alles für
seine Auswechslung getan, doch es erwischte 2 andere Spieler. Um die
Früchte seiner Arbeit gebracht, leistete sich der frustrierte Koen
60 Sekunden später ein überflüssiges Foul in der gegnerischen
Hälfte und sah seine Gelbe Karte Nr.2. Ratet mal, wie lange die
Wilhelmshavener brauchten, um die Überzahl auszunutzen.
Fünf Minuten? Nein.
Vier Minuten? Nein.
Drei Minuten? Nein.
Ja, wieviel dann? 2 natürlich. 2 natürlich.
Die Essener versuchten alles, um noch zum Ausgleich zu kommen, doch
gegen die 2 hatten sie keine Chance. Fünf Minuten vor Schluss fiel
das 0:2.
Es sieht ganz so aus, als ob RWE noch mal auf dem Transfermarkt tätig
werden muss, wenn man oben in der Regionalliga mitmischen will. Nachdem
sich die Essener im Laufe der Saison 2 Verstärkungen fürs
Mittelfeld geholt haben, besteht jetzt dringender Handlungsbedarf im
Ordnerbereich. Ordner Wichtig hat eindeutig kein Regionalliga-Format.
Gebraucht wird ein Ordner mit souveräner Tribünenbeherrschung
und einem guten Zahlgefühl.
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10. RW Essen - SV Wilhelmshaven 0:2 11. Dresdner SC - RW Essen 4:1 12. spielfrei
Tabelle
Nach dem 12. Spieltag ist RWE schon auf Platz 12 abgerutscht. 13. Spieltag: RWE - SC Verl, 20.10.2000
Rumpelstilzchen
Aus Scheiße Gold zu machen, das ist nicht schwer. Dieses Gebiet
ist wissenschaftlich erforscht, das Verfahren nennt sich Marketing,
und wahrscheinlich ist schon jeder darauf hereingefallen. Aber aus Stroh
Gold zu spinnen, das konnte nur Rumpelstilzchen.
Was ist so schwer daran, aus Stroh Gold zu spinnen? Stroh ist so nichtssagend,
so mittelmäßig. Das ist das Problem. Ein paar Monate steht
es auf dem Feld herum, seine besten Teile werden herausgehauen, der
Rest in Ballen verpackt. Und was dann?
Angeblich kann man gut darauf schlafen. Auch in Köpfe gestopft,
kann man prima Abteilungsleiter daraus machen. Oder man brennt ein Strohfeuer
ab, so wie RWE 30 Minuten lang in der zweiten Halbzeit gegen Verl. Das
reichte zum vierten 0:0 dieser Saison, aber auch nur weil Essen mit
Christoph Müller einen hervoragenden Feuerwart hat, der die Verler
Landjungs daran hinderte, mit ihren Quadratlatschen das Strohfeuer auszutreten.
Nun ist ein 0:0 so nichtssagend, so mittelmäßig, dass Trainer
auf der ganzen Welt bisher vergeblich versucht haben, daraus Gold zu
spinnen. Also vergessen wir das, ein Drittel der Saison ist vorbei,
Zeit sich den Stand der Ernte anzukucken.
In 12 Spielen sammelte RWE 16 Punkte ein, bei 4 Siegen, 4 Unentschieden
und 4 Reden-wir-nicht-drüber. Das Torverhältnis ist 11:11.
11:11? Ja, 11:11 in 12 Spielen. Disziplin ist eins der Lieblingsworte
von Trainer Berge, und gibt es etwas Disziplinierteres als ein 0:0?
Kaum, aber wo soll das hin führen? Essen steht auf dem 13. Platz,
ab 15 beginnen die Reservierungen für einen Stirb-langsam-Trip.
Bis zum Ende der Hinrunde sind es noch 6 Spiele, davon 4 gegen Mannschaften
aus dem oberen Tabellendrittel.
Anscheinend ist jetzt wieder Underdog-Fußball angesagt. Das hat
immerhin 1994 bis ins DFB-Pokalfinale gereicht, aber was will man mit
Underdog-Fußball gegen drittklassige Gegner gewinnen? Die goldene
Ananas? Und wenn's schief geht, dann wird wieder jedes Trainerwort auf
die Goldwaage gelegt. Disziplin und geduldiges Spiel nach vorn werden
dann Angsthasenfußball genannt. Der Vorstand wird das traditionelle
"Ziehen Sie einen Halm"-Spiel mit dem Trainer spielen. Natürlich
ist jedem schon vorher klar, wer am Schluss den Kürzeren zieht.
Und dann steht der Trainer da, mit einem Halm in der Hand und ihm wird
ganz plötzlich einfallen, dass es nur einen gab, der aus Stroh
Gold spinnen konnte: Rumpelstilzchen.
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13. RW Essen - SC Verl 0:0
Tabellenstand
Platz 13 für RWE. 14. Spieltag: KFC Uerdingen - RWE, 27.10.2000
Leiden
Der große Hornby legt in "Fever Pitch" eindrucksvoll
dar, dass die wahre Bestimmung eines Fußballfans darin besteht
zu leiden. Jede Saison gibt's nur einen Meister, dafür mehrere
Absteiger, der Rest leidet zwischen Hoffen und Bangen oder in purer
Bedeutungslosigkeit. Die Triumphe im Leben der meisten Fans sind rar.
Sie werden mit einer langjährigen Leidenszeit erkauft und hinter
jedem Triumph lauert die nächste peinliche Niederlage.
RWE hat in dieser Saison seine Fans mit gut dosierten Leidensportionen
versorgt. Ein durchwachsener Start ließ Schlimmes befürchten,
dann eine Serie von sechs Spielen ohne Niederlage, die zu großen
Hoffnungen Anlass gab, was die Enttäuschung über die vier
folgenden Spiele ohne Sieg nur größer machte. Und dann wartete
der KFC. Leiden war vorbestellt, auswärts sowieso, zumal Krefeld
mit einem Albtraum namens Daniel Teixeira drohte, der bis dahin allein
13 Tore geschossen hatte, zwei mehr als ganz Essen zusammen.
1.500 Essener wagten den Sprung aus dem Pott ins tiefe Krefeld und wurden
40 Minuten lang nicht enttäuscht. Die ersten 20 bis 25 Minuten
spielten die Essener "immer nach'n Gechner", wie mein linker
Nachbar bei jedem Fehlpass zu sagen pflegte. Dann wurden sie sicherer,
die Krefelder ließen nach, aber nach vorne ging nicht viel und
es roch nach einem weiteren vergeudeten 0:0-Abend.
Bis zur 41. Minute. In der 41. Minute der totale Blackout: Karp und
Wolf spielen auf Höhe des Krefelder Strafraums einen Doppelpass.
Einen Doppelpass! Karp zieht den Ball flach hinein. Ulf Raschke steht
völlig alleingelassen neun Meter vor dem Tor und die Fans können
sich wieder entspannen, der braucht seine drei bis vier Chancen bevor
er trifft. Da steht's 1:0. Was sagt man dazu? Laalalalelaa.
Völlig geschockt vom zweiten Auswärtstor der Saison spielte
die Essener richtig Fußball. Statt sich in der zweiten Halbzeit
hinten rein zu stellen, um ihre Fans einer Leidensprobe zu unterziehen,
beherrschten sie Ball und Gegner. Tatsächlich kam es noch schlimmer:
In der 69. Minute spielt Poulunin einen wunderbaren Pass auf Karp, der
nur noch den Torwart vor sich hat. Kein Problem, denkt sich der RWE-Fan,
keiner kann die Bälle so schön wegspringen lassen wie Karp.
Da steht's 2:0. Was sagt man dazu? Auswärtssieg! Auswärtssieg!
Nach diesem Patzer kannten die Essener Spieler keine Gnade mehr. Selbst
ein Anschlusstor, nachdem man noch hätte schön zittern können,
ließen sie nicht zu. Zu allem Überfluss spielte die ganze
komische Liga auch noch so, dass nächstes Wochenende mit Lübeck
der Spitzenreiter nach Essen kommt. Und was hat man gegen einen Spitzenreiter
schon zu verlieren?
Ist die Leidenszeit der Essener Fans nun vorbei? Nein, denn der Sieg
gegen Uerdingen zählt nicht. Wie, der zählt nicht? Nun, in
der Tabelle zählt er schon, aber nicht auf der nach unten offenen
Leidenskala. RWE hat neun Monate lang kein Auswärtsspiel mehr gewonnen.
Der letzte Sieg war wo? Natürlich in Krefeld! Es ist also nur eine
dumme Angewohnheit der Essener, ausgerechnet in Krefeld immer zu gewinnen.
Das gildet nicht. Weitere Leiden sind garantiert.
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14. KFC Uerdingen 05 - RW Essen 0:2
Tabellenstand
RWE ist mit 19 Punkten Zehnter. 15. Spieltag: RWE - VfB Lübeck, 04.11.2000
Zettelwirtschaft
Jeder hat schon von diesen wunderbaren Zetteln gehört, mit denen
sich Fußballreporter bewaffnen, um die Leute an den Radio- und
Fernsehgeräten mit überkandidelten Statistiken und abgenudelten
Infohäppchen zu nerven. Neu ist, dass in Essen jetzt auch Spieler
der Gastmannschaft mit Zetteln versorgt werden.
So geschehen in der 7. Minute gegen Lübeck. Links vom Strafraum
wurde einem Gastspieler der Ball und ein Zettel übergeben, auf
dem die genaue Wegbeschreibung zum Tor nebst dem günstigsten Schusstermin
stand. Also lief der Lübecker mit dem Ball aufs Tor zu, kuckte
noch mal auf seinen Zettel und versenkte das Ei. Fünf Minuten später
wurde Zettel Nummer zwei überreicht. Darauf muss so was gestanden
haben wie "Aus 25 Metern einfach abziehen (Ball wird unhaltbar
abgefälscht)".
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte ein Reporter ein Zettelfest
feiern können. Auf dem Zettel "Torschnitt bei Essener Spielen"
hätte z.B. 1,85 gestanden. Wer also mit der gewohnten Magerkost
von knapp zwei Toren pro 90 Minuten zufrieden war, hätte nach 12
Minuten schon nach Hause gehen können, eine satte Zeitersparnis
von 78 Minuten. Da kann keine Mikrowelle mithalten oder anders gesagt:
Essen war noch nie so schnell fertig.
Dass Essen so gut wie fertig war, hätte ein Reporter dem Zettel
"Essener Torausbeute" entnommen: 13 Tore in 13 Spielen. Den
Schnitt von einem Tor pro Spiel könnte sogar ein Fußballreporter
errechnen - wenn er langjährige Erfahrung hat. Tatsächlich
schoss RWE gegen Lübeck zwei Tore, aber mit den Zettelverteilern
aus der Essener Hintermannschaft reichte das an diesem Tag nicht.
Nun mag vielleicht manch einer glauben, dass diese Zettelgeschichte
frei erfunden ist. Aber nein, es gibt Beweise. Folgender Originalzettel
ist mir aus der Lübecker Kabine zugespielt worden:
Willkommen im Georg-Melches-Stadion! Um einen reibungslosen Spielablauf zu gewährleisten, beachten Sie bitte folgende Anweisungen für das 0:4. Halten Sie sich in der 69. Minute etwa 35 Meter vor dem gegnerischen Tor auf (Hinweis: die Seiten werden in der Halbzeit gewechselt). Unser Torwart, Herr Müller, wird Ihnen gerne den Ball völlig unbedrängt vor die Füße servieren. Laufen Sie mit dem Ball bitte in gerader Linie auf das Tor zu. Einige unserer besten Kräften werden Sie in einem Abstand von zwei Metern zu Ihrer eigenen Sicherheit begleiten. Sobald Sie 16 Meter vom Tor entfernt sind (Hinweis: Die 16-Meter-Marke ist gekennzeichet durch die erste waagerechte weiße Linie), ziehen Sie bitte ab. Die Ecke dürfen Sie sich aussuchen. Mit freundlichen Grüßen Ihr Georg-Melches-Stadion-Team
Und so geschah es. Bis zum Schlusspfiff hatte Essen ein 2:5 angezettelt
und Trainer Berge kochte selbst nach dem Spiel noch. Anscheinend hat
er noch nichts von der segensreichen Erfindung der Mikrowelle gehört.
Passend zum Thema des Tages verpasste er seinen Spielern einen Denkzettel.
Maßlos enttäuscht von der Leistung seiner Mannschaft sagte
Berge, dass einige Spieler es nicht verdient hätten, für Rot-Weiß
Essen zu spielen. Diese Ausdrucksweise ist etwas markig, aber man kann
von einem Regionalliga-Trainer auch nicht die geschliffene Rhetorik
der Erstliga-Kollegen erwarten. Was er wahrscheinlich sagen wollte,
war: 'abben gespielt wie Zettel läär.
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